25. Oktober 2005
Helloween — „Keeper Of The Seven Keys III“
Überbordende Vorfreude oder böse Vorahnung? Das sind die Gefühlswelten zwischen denen man sich als Kürbiskopf-Fanatiker bewegen durfte als die schier unglaubliche Sage umging, der „Keeper“ kehre wieder. Lang, lang ist’s her: 1987, zu Zeiten da der Metal noch heavy war und auch ohne Nu voll hipp, verbündeten sich fünf langmähnige Jünglinge aus dem hohen deutschen Norden mit den Göttern und das aus Marketingüberlegungen zerpflückte Doppelkonzeptalbum „Keeper Of The Seven Keys“ katapultiert die Michaels Kiske und Weikath, Markus Großkopf, Kai Hansen und Ingo Schwichtenberg nach ganz oben. Doch zu welchem Preis?
Nie wieder sollten Helloween grandiosere Nummern schreiben dürfen: „A Little Time“, „I Want Out“, „Dr. Stein“ und „Future World“. Songtitel wie in Granit gemeißelt; hart, schnell, außergewöhnlich, aber immer mit einer gehörigen Portion Melodie im filigranen Gitarren-Gewitter. Fast schon blasphemisch mutet es da auf den ersten Blick an, fast 20 Jahre Jahre später den dritten „Keeper“-Part auf gleich zwei CDs nachzuschieben. „The Legacy“ (Steammer/SPV) — Vermächtnis oder Verdammnis?
Schön zitiert und doch zu beliebig…
Die beiden Urgesteine Weikath (Gitarre) und Großkopf (Bass) sind nach wie vor an Bord der Hanseaten-Kogge, dennoch hat sich das Personalkarussell mal wieder ein klein wenig weitergedreht: Dani Loeble ersetzt Ex-Running Wild Stefan Schwarzmann an den Drums, den der Fluch des Rock ‚n‘ Rolf heimsucht. Doch auch bei Helloween ist man sich — wenn auch nicht jedes, so doch alle Jahre wieder — stets uneins, wohin der musikalische Weg gehen soll. „Jericho“-Speed Metal oder „Chameleon“-Weichspüler-Rock? Alles schon mal da gewesen. Doch nun scheint man sich mit dem „Rabbit Don’t Come Easy“-Nachfolger neu eingependelt zu haben. Bis zum nächsten Ausrutscher wenigstens.
Einen wirklichen leisten sich die Hamburger auf „The Legacy“ glücklicherweise nicht. Dennoch klingen nicht wenige der 13 Nummern gar zu beliebig („Born On Judgment Day“, „Pleasure Drone“); das rockt zwar, fulminant („Come Alive“), epochal („The King For A 1000 Years“, „Occasion Avenue“), schnell („Silent Rain“), balladesk („Light The Universe“). Aber kaum da der nächste Track im Player rotiert, ist die Hook meist auch schon wieder vergessen. Am ehesten in den besseren alten Zeiten wühlen noch die erwähnten Opener „The King For A 1000 Years“ und „Occasion Avenue“. Letztere der beiden Rock-Opern kommt im Vergleich zu den 80er-Großtaten reichlich modern daher, spielt obendrein zu Beginn nett adrett mit Zitaten („Eagle Fly Free“ oder „Halloween“) der ersten beiden „Keeper“-Alben.
Das Highlight heißt jedoch ganz anders: Die äußerst erfrischende „Mrs. God“ ist’s nämlich, welche dank einem sehr vertrauten Leadgitarren-Riff mit neuem Sound erstmals alte Erinnerungen an die verflossene „Future World“ weckt. Zugleich ist es aber auch eine typische Deris-Nummer, die ohne Weiteres der 94er Auferstehung „Master Of The Rings“ entsprungen sein könnte. Und genau dieser „Zurück in die Zukunft“-Spagat müsste die komplette „Legacy“ umfassen, um die Chance zu wahren, den beiden gehuldigten Reminiszenten das Wasser zu reichen.
…„Cause We All Live In Future World“!
Doch dafür fehlt es von Speed und Härte einmal abgesehen fast zur Gänze am Außergewöhnlichen der Sorte „Ride The Sky“, „Phantoms Of Death“, „Rise And Fall“, „Living Ain’t No Crime“, „Mankind“, „Perfect Gentleman“ oder auch „First Time“, um einmal ganz verschiedene Vertreter aus ebenso unterschiedlichen Schaffensperioden zu nennen. „Mrs. God“ oder auch „The Invisible Man“ zählen zu den wenigen Ausnahmen. Aber vielleicht sind wir ja bei der Personalie Andi Deris nach langem Herumeiern auch schon längst am eigentlichen Knackpunkt der unverhofften „Keeperkehr“ vorbeigeschrammt.
Der einstige Frontmann der einzigen Karlsruher Band, die es jemals zu etwas gebracht hat — die Rede ist freilich von Pink Cream 69 — ist ein wirklich fantastischer Sänger wie Komponist; mit seinem Vorgänger Kiske allerdings in beiden Disziplinen schlicht nicht zu vergleichen. Schon deshalb dürfte es der musikalischen Güte ungeachtet schwerfallen, die neuen an den alten Helloween zu messen. Weil uns das Quintett mit seinem titelgebenden Kunstgriff aber dazu nötigt, tun wir’s doch einfach trotzdem: Ein Album mit dem bloßen Zusatz „The Legacy“ kann nie und nimmer gegen ein eben solches bestehen. „Cause We All Live In Future World.“ Und die bekommt heil’gen Vermächtnissen ganz selten wirklich gut.