31. August 2007
La Vela Puerca — „El Impulso“
In Südamerika haben die acht Kerzenschweine zurecht längst Superstarstatus erlangt, man füllt dort ganze Stadien. In Karlsruhe ist es vorerst noch ein Zelt, doch das brennt im „Fest“-Sommer 2006 binnen Minuten. Selige Erinnerung. Und Stichwort: Zwei Jahre Zeit haben sich die sympathischen Bartträger aus Montevideo gelassen für ihren „A Contraluz“-Nachfolger. Und La Vela Puerca sind vom Populär-Rock gepackt.
Der Antrieb auf dem Neuling „El Impulso“ (Universal) hält bis auf zweidrei Ausreißer ziemlich konstant entspanntes Midtempo, ist nicht mehr ganz so roh und hibbelig wie einst; eine Entwicklung, die schon bei „A Contraluz“ eingesetzt hat. Der Ska, sofern er überhaupt jemals im Vordergrund stand, wird in immer größerem Maß von Latin-Rock-Klängen verdrängt, nur noch dezent durchsetzt mit Reggae, Cumbia oder Ragga.
Ihre stilistische Vielseitigkeit hat sie bislang immer ausgezeichnet, einerseits so typisch gerade für lateinamerikanische Formationen des Genres, und doch so eigen. Geblieben sind „El Impulso“ die Melodieläufe, mit denen sich La Vela Puerca von im weitesten Sinne verwandten Gruppen wie No Te Va Gustar oder Panteón Rococó abgrenzen, ja isolieren. Was man nun an Geschwindigkeit, Bläserinfernos und Stakkato-Riffs einbüßt, wird mit Gradlinigem und Gefühligem aufgestockt.
Dabei ist in ihrer Musik Melancholie seit jeher allgegenwärtig, unterstrichen von den kritisch-pessimistischen Liedzeilen: Mit Wut und Sarkasmus packen die beiden Sebastiáns Teysera und Cebreiro den Ärger über Ungerechtigkeit und Missstände in poppige Ohrwurmnummern; teils fröhlich, teils schwermütig, teils schwelgend, aber immer wun-der-schön! Und die „El Viejos“, „Sin Palabras‘“, „De Atars“ und „El Huracáns“ bekommen Zuwachs.
„Neutro“, „Su Ración“ oder das von Co-Sänger Cebreiro vorgetragene „Clones“ — da sitzt wieder jede Harmonie. Zwischen ruhigen, teilweise fast romantischen Parts („Para No Verme Más“, „Hoy Tranquilo“), und heiter-wildem Brass-Punk („Colabore“, „La Sinrazón“) entfaltet sich auch auf „El Impulso“ jene Spannung, die ihre Musik so grandios macht; vorgetragen mit zwei Gitarren, Bass, Saxophon, Trompete und einer schier unglaublichen Spielfreude — schlicht beseelt von südamerikanischem Temperament. Der Sound mag nicht mehr ganz derselbe sein, an (Latino-)Lebensgefühl und Leidenschaft mangelt es „El Impulso“ aber keineswegs. Sie zielen eben nur mehr auf Herz denn Hüfte.