12. November 2009
State Of Play
In deutschen Zeitungshäusern herrscht spätestens seit den 90ern die traurige Meinung vor, teure Recherchierarbeit könne eingespart werden. Wofür gibt es schließlich PR-Agenturen? Dagegen wird in England und den USA Öffentlichkeit traditionell vergleichsweise weniger häufig bereitgestellt, verstehen sich die Massenmedien noch als vierte Gewalt im Staate. Und unter diesen Bedingungen darf der großmäulige Enthüllungsjournalist des „Washington Globe“, Cal McAffrey (Russell Crowe), seinen Pressedienst tun.
Als die Assistentin des aufstrebenden Politikers Stephen Collins (Ben Affleck) unter die U-Bahn und er in die Schlagzeilen gerät, weil sie obendrein seine Geliebte war, nimmt eine komplexe Geschichte ihren Lauf, die von Paul Abbotts BBC-Miniserie „Mord auf Seite eins“ ausgehend auf 127 Minuten Kino heruntergebrochen werden musste.
McAffrey und Collins sind Studienfreunde, daher wird der Reporterveteran von seiner Chefredakteurin (Helen Mirren) auf die Affäre angesetzt — und bekommt ausgerechnet Frischling Della Frye (Rachel McAdams) aus der Online-Redaktion zur Seite gestellt. Aber das ungleiche Duo ist der wahren Story schon auf der Spur: die von Collins geleitete Kongressanhörung der Sicherheitsfirma Pointcorp.
Im ständigen Clash von Notizblockermittler Cal und der bloggenden Redaktionsstubenhockerin Della, seriöser Textarbeit und vermeintlichem Blabla, dem Spannungsfeld von Investigative Journalism und Verlegerinteressen schaut sich der zum Komplott ausweitende Kriminalfall wie eine gute Reportage: fesselnd bis zum Schluss! Der vom Dokumentarfilm kommende Kevin Macdonald legt dabei Wert auf Realismus, düstere Bilder, flotten Schnitt, treibenden Score und verpackt im Thriller einen cleveren Kommentar zum „Stand der Dinge“ (Universal Pictures) in Sachen Politik, Wirtschaft und Medien.
Es ist aber vor allem auch eine Ode an die gute alte Zeitung, in der Qualität noch über Quote geht. Oder wie formuliert’s die Nachwuchsreporterin: „Bei so einer großen Geschichte sollten die Leute schon Druckerschwärze an den Fingern haben, wenn sie’s lesen.“ In Filmform tut’s auch eine Tüte Chips.