29. März 2012
Russendisko
Mit seiner losen Sammlung autobiografisch gefärbter Kurzgeschichten hat sich Wladimir Kaminer vor zwölf Jahren gleich mit dem Debüt als Bestsellerautor erwiesen. Und so schön schnoddrig und ironisch geladen seine Schreibe zu lesen ist, so schwierig gestaltet sich eine Verfilmung der „Russendisko“. Regisseur Oliver Ziegenbalg gibt dafür die Episodenstruktur auf und erzählt eine durchgängige Story über drei Freunde, die zu Zeiten von Glasnost und Perestroika aus der Sowjetunion nach Berlin übersiedeln.
Während der kommende Popstar unter den jüngeren deutschen Literaten, Kaminers Alter Ego Wladimir (Matthias Schweighöfer), kurz nach dem Mauerfall noch ziemlich planlos dasteht, will Mischa (Friedrich Mücke) Musiker werden und der schwermütige Andrej (Christian Friedel) das schnelle Geld machen. Tänzerin Olga (Peri Baumeister) weckt auch in Wladimir ernste Absichten; dann läuft Mischas Aufenthaltsgenehmigung ab. Als einziger Nicht-Jude im russischen Emigranten-Trio hat er kein dauerhaftes humanitäres Asyl in der noch existenten DDR erhalten. Der folgenschwere Plan: Mischa soll Olgas beste Freundin Hanna (Susanne Bormann) heiraten.
Ziegenbalg, der Schweighöfer und Mücke bereits das „Friendship!“-Drehbuch vorgeschrieben hat, eifert einem berühmten französischen Großstadtmärchen nach: An Originalschauplätzen gedreht, überhöht seine gekünstelte Kulisse die (durch einen einigermaßen verloren wirkenden Ausflug ins Zeichentrickhafte noch weiter untergrabene) Realität. Zündende Gimmicks wie der von Kaminer gesprochene Radiodoktor, ein beseelter Soundtrack zwischen „Dorogoi Dlinnoyu“ (der russischen Volksliedvorlage für „Those Were The Days“) und Leningrads „Super Good“ sowie ein in steter Feierlaune befindliches, akzentfreies Ensemble machen aus „Russendisko“ zwar noch keine Berliner „Amélie“, aber einen fabelhaften Wohlfühlfilm allemal!